Welpenerziehung während Corona-Krise

Die Übernahme eines Hundewelpen zu Zeiten der allgemeinen Ausgangsbeschränkung während der Corona-Pandemie ist eine zweischneidige Angelegenheit.

Einerseits haben frischgebackene Hundebesitzer nun VIEL Zeit, weil sie zuhause sind. Das gefällt auch dem Hund, denn gerade in den ersten Wochen nach der Übernahme gibt es nichts Schöneres, als sich gegenseitig intensiv und in Ruhe kennenzulernen. Oder anders ausgedrückt: Mit Zeit und Raum.
Nun ja, die Zeit ist gerade reichlich vorhanden. Aber wie sieht es mit dem Raum aus?
Die ersten nervlichen Zerreißproben stehen an, wenn man nicht das Glück hat, in einer Wohnung mit Garten zu leben. Denn schließlich muss so ein junger Hund ziemlich oft seine Harnblase und sein Gedärm entleeren. Zum Einüben der Stubenreinheit ist also der rasche Schritt hinaus ins Freie eine enorme Bereicherung. Muss man dazu auf die Straße, wird es derzeit ein kleiner Spießrutenlauf.


Aber damit sind wir auch schon bei der nächsten Problematik:
Keine Kontakte unter Menschen bedeutet zwangsläufig auch Kontaktlosigkeit unter Hunden. Aber gerade der Kontakt zu Artgenossen wäre für einen Welpen in der Sozialisierungsphase so dringend notwendig!
Idealerweise würden Hund und Mensch die Welpengruppe einer guten Hundeschule besuchen. Aber momentan – Fehlanzeige!
Andere Gassigeher mit gut sozialisierten und spielbereiten Hunden sind sowieso nicht so leicht in der direkten Nachbarschaft zu finden. Aber Ausflüge und vereinbarte Treffen – Verboten!
Was für den Schutz der menschlichen Gesundheit im Moment unabdingbar ist, ist für einen Hundewelpen zwischen der 8. Und 16. Lebenswoche ein echtes Dilemma. Denn wo soll er nun sein gutes Hundebenehmen innerhalb der artgenössischen Gemeinschaft erlernen und üben?

Kontakte mit anderen Hunden kann der Mensch nicht vollständig ersetzen. Der Familienhund, wie wir ihn uns wünschen, braucht nicht nur die Sozialkompetenz innerhalb des menschlichen Umfelds, sondern ganz dringend auch gegenüber seinen Artgenossen.
Sollten Sie also momentan noch vor der Wahl stehen, einen Welpen übernehmen zu wollen, so ist es die beste Lösung für den heranwachsenden Vierbeiner, ihn noch ein wenig länger in seiner Züchterfamilie zusammen mit Mutterhündin und Geschwistern zu belassen.
Haben Sie Ihren Welpen jedoch vor der Ausgangsbeschränkung übernommen, sind Sie jetzt besonders herausgefordert im Hinblick auf eine verantwortungsvolle Welpenerziehung. Sie sind auf sich gestellt und können sich kaum mit Gleichgesinnten austauschen, wie das innerhalb einer Welpengruppe möglich wäre.

Einige Tipps für ein glückliches Heranwachsen Ihres Welpen:

  1. Achten Sie auf ausreichend Ruhezeiten für den Welpen
    Dieser Rat steht an erster Stelle, weil sich begeisterte Neuhundebesitzer erfahrungsgemäß hochmotiviert in jegliche „Action“ mit dem Hund stürzen und dabei gerne übersehen, dass ein Welpe noch viel schläft. Bis zu 22 Stunden pro Tag sind das je nach Alter. Auch ist die große Welt für einen jungen Hund noch so aufregend, dass es ihm genügt, kleine Spaziergänge zu machen. Sozusagen von Blume zu Blume schnuppern, um dann daheim schön von den Eindrücken weiterzuträumen. Meist benötigt der Welpe 5-10 Minuten, um in der ruhigen Geborgenheit des Heims anzukommen. In dieser Zeit bitte keine wilden Spiele machen. Und weil Sie keine hyperaktive Hüpfdohle heranziehen wollen, befolgen Sie diesen Punkt ausgiebig.

  2. Bringen Sie Ihrem jungen Hund eine Beißhemmung bei
    Einen großen Teil dieser Arbeit würden (gleichaltrige) Hunde im Spiel leisten. Aber auch menschliche Spielpartner möchten mit unversehrter Haut aus dem Spiel hervorgehen. Dazu stoppen Sie allzu grobe Handlungen Ihres Welpen mit einem empörten, hellen „AU!“ und halten gleichzeitig in der Bewegung inne. Diese Vorgehensweise imitiert den Quietschlaut, den ein anderer Welpe ausstoßen würde, wenn er im Spiel schmerzhaft angepackt würde. Der Quietschlaut wiederum teilt dem „Rüpel“ mit, dass das, was er gerade getan hat, nicht sehr freundlich war und man deshalb nicht mehr mit ihm weiterspielen will. Dem kurzen Innehalten folgt meist ein erneuter Spielbeginn, bestenfalls in einer vorsichtigeren Variante.  Jeder Schmerz hat einen stoppenden Quietscher zur Folge. Wird das Spiel trotzdem zu wild, dann wird es  – schlicht und ergreifend – ABGEBROCHEN. Sie als Mensch stehen dann auf, gehen weg und lassen den verdutzten Welpen alleine sitzen. So prägt sich im kleinen Hundehirn ein, dass man ganz schön verlassen ist, wenn man zu frech ist. Und das will in diesem Alter kein Welpe!
    Die Beißhemmung ist deshalb so wichtig, weil sie bis zur 18. Lebenswoche erlernt sein muss. Sie ist nicht angeboren.

  3. Überfordern Sie Ihren Welpen nicht
    Auch wenn Sie jetzt gerne die viele freie Zeit nützen möchten, um Ihrem kleinen Fellknäuel alles Mögliche beizubringen, denken Sie bitte an Punkt 1.
    Üben Sie lieber wenige Kommandos richtig, als den Welpen mit zu vielen Kunststücken zu verwirren. Ein guter Grundstock für eine einträchtige Mensch-Hund-Beziehung sind die Kommandos „Sitz“, „Platz“ und vor allem „Hier“. Die Signalworte können natürlich individuell anders gewählt sein, sie sind der Allgemeinverständlichkeit halber als Beispiele genannt. Und das Allerwichtigste:
    Üben Sie freundlich und welpengerecht! (Gerne können Sie diesbezüglich mit uns Kontakt aufnehmen.)

  4. Nehmen Sie sich Zeit für die Stubenreinheit des Welpen
    Grundsätzlich kann man sagen: Nach jedem Aufwachen, Spielen oder Fressen möchte sich ein junger Hund gerne „lösen“. Dazu führen Sie ihn nach draußen und loben ihn mit schmeichelnden Worten ganz fest für sein Bächlein oder Würstlein, das er an geeigneter Stelle im Freien absetzt. Der Welpe lernt, dass Sie auf diese Weise leicht zu erfreuen sind und wird sich bemühen, Ihr Lob mit seinem vorbildlichen Verhalten immer wieder erneut zu bekommen. Und irgendwann werden die Entleerungen sowieso seltener. Versprochen!

  5. Fassen Sie Ihren Welpen im Spiel viel an
    Erstens ersetzt dies die körperlichen Kontakte, die beim Spiel mit anderen Hunden unweigerlich gegeben wären. Außerdem hat es den großartigen Vorteil, dass Ihr Hund dabei Ihre Hände als freundliche und liebevolle Objekte kennenlernt, vor denen er sich nicht zu fürchten braucht. Vorausgesetzt Sie machen alles mit sachten, weichen Bewegungen, die keinen Schmerz zufügen. Auf diese Weise berühren Sie den kleinen Wildfang am ganzen Körper: Angefangen beim Maul, Zähne, Ohren, Bauch, Füße, bis sie hinten am Schwanz angelangt sind. Sie imitieren damit ein wenig die Untersuchung eines Tierarztes. Und wenn Sie dies geschickt anstellen, freut sich beim nächsten Praxisbesuch Ihr Tierarzt über den kooperativen Patienten!

So, das soll vorerst genügen. Wir wollen SIE ja auch nicht überfordern.
Für die Klärung und Beantwortung von auftretenden Fragen, oder Anregungen für weitere Beiträge stehen wir gerne unter folgenden Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung:

Dr. Andrea Wolf, Tierärztin: tierarzt-lenggries@t-online.de

Stephanie Lang von Langen, Hundetrainerin, Tierpsychologin: langvonlangen.com